Luise Hensel > Gedichte

In einer Dorfkirche

Luise Hensel (1798-1876), Langenberg 1856
Immer muß ich sein gedenken,
Immer seiner Huld mich freun,
Immer her die Schritte lenken
Zu dem Kirchlein arm und klein.

O du Wunder aller Gnade,
Das der kleine Schrein umschließt!
Ja, in dieser armen Lade
Wohnt er, dem das All entfließt.

O des Glückes, das der Glaube
Seiner Gegenwart mich lehrt!
O der Wonne, die im Staube
Meine Seele schon erfährt!

Seele, und du schaust noch trübe
Auf die Dinge niederwärts?
Gibt's für dich noch andre Liebe?
Erdenfreude? Erdenschmerz?

Sieh' in dieser Silberschale
Ruht dein Gott, dein einzig Gut!
Und du darbst beim reichsten Mahle?
Und du frierst bei höchster Glut?

Auch der kleinen Ampel Schimmer
Mahnt dich, ganz für ihn zu glühn,
Herz, o säumst du denn noch immer,
Ganz in Flammen zu versprühn?


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